MD als Synonym für „Menschen dienen“
Seit mehr als zehn Jahren beim Medizinischen Dienst (MD) im Saarland in verschiedenen Positionen tätig, ist Dr. Georg Walter auch heute noch davon überzeugt, dass die Tätigkeit „sinngebend, vielseitig und anspruchsvoll“ ist.
Herr Dr. Walter, beim Medizinischen Dienst sind verschiedene fachliche Qualifikationen gefragt und es gibt viele Entwicklungsmöglichkeiten. In welchem Bereich arbeiten Sie aktuell und wie sieht Ihre Laufbahn beim Medizinischen Dienst Saarland aus?
Mit meiner Doppelqualifikation als Arzt für Neurologie mit Zusatzbezeichnung Sozialmedizin und Diplomjurist habe ich über viele Jahre hin Gutachten auf dem Gebiet der allgemeinen Sozialmedizin erstellt – etwa zu Fragen im Zusammenhang mit Arbeits(un)fähigkeit oder Rehabilitation – und fachspezifische Vor-Ort-Krankenhausbegutachtungen (DRG) durchgeführt. Parallel hierzu habe ich mich auf dem Gebiet der Patientensicherheit und Behandlungsqualität eingebracht, sozialmedizinische Begutachtungen bei Behandlungsfehlerverdacht erstellt und den Bereich MedJur beim Medizinischen Dienst Saarland geleitet. Dort bin ich heute als Inhaber einer Stabsstelle für Grundsatzfragen und Kommunikation zuständig, beantworte unterschiedlichste interne und externe Anfragen, kümmere mich als Leiter unseres internen Beschwerdemanagements um die Belange der uns anvertrauten Versicherten und als Personalratsvorsitzender um die Anliegen unserer Mitarbeitenden.
Seit wann arbeiten Sie beim Medizinischen Dienst und was war damals Ihr Beweggrund, zum Medizinischen Dienst zu gehen?
Ich war 24 Jahre als Arzt in verschiedenen Kliniken und in eigener Praxis tätig, habe berufsbegleitend ein universitäres Studium der Rechtswissenschaften absolviert und ärztliche Gutachten u.a. für die Deutsche Rentenversicherung und verschiedene Gerichtsbarkeiten erstellt. Mein Wunsch, das hierdurch erlangte fachübergreifend verbindende Verständnis von Medizin und Recht in sinngebender und gestaltender Weise einzubringen, hat mich 2013 dazu bewogen, meine Tätigkeit beim Medizinischen Dienst Saarland aufzunehmen.
„Die Gewissheit, Versicherte unabhängig, neutral und nach gleichen Kriterien beurteilen zu können und damit einen wertvollen Dienst für jede einzelne versicherte Person und für die Gesellschaft als Ganzes zu leisten, ist sinnstiftend und vermittelt ein wohltuendes Selbstverständnis.“
Was zeichnet Ihre Tätigkeit beim Medizinischen Dienst aus?
„Sinngebend, vielseitig und anspruchsvoll“ kann ich meine berufliche Tätigkeit beschreiben.
Wie hat sich Ihr berufliches Tätigkeitsspektrum in den letzten zehn Jahren verändert?
Aus einer zunächst überwiegenden Gutachtertätigkeit heraus hat sich mein persönliches Tätigkeitsspektrum im Laufe der Jahre auf weitere Aufgaben erstreckt und geweitet. Dazu gehören heute u.a. die Erörterung von Grundsatzfragen, der Umgang mit Versicherten-Feedback, Belange der Unternehmenskommunikation, des betrieblichen Gesundheitsmanagements sowie Personalangelegenheiten (letztere in Wahrnehmung meines Amtes als Personalrats-Vorsitzender). Über die Zeit haben die Anforderungen – nach meiner Wahrnehmung für alle Beschäftigten des Medizinischen Dienstes – zugenommen und gehen mit Veränderungen sowohl der individuellen Tätigkeiten und des Rollenverständnisses unserer Mitarbeitenden des Medizinischen Dienstes, als auch mit einem Wandel des Selbstverständnisses des Medizinischen Dienstes als Ganzes und seiner Außenwahrnehmung durch die Öffentlichkeit einher.
Ich erachte es als überaus positiv, dass wir uns von einem „MDK“ als ehemals „vertrauensärztlichem“ kassenbeauftragten medizinischen Prüfdienst zu einem modernen versichertenorientierten Service-Dienstleister entwickelt haben. So nehmen heute – über Begutachtungen hinaus – bspw. medizinische und pflegefachliche Beratungen (etwa zu Hilfsmitteln, Rehabilitation oder Prävention, aber auch zur Bewertung sogenannter neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder zur Unterstützung von Versicherten beim Verdacht eines etwaigen Behandlungsfehlers) einen zunehmenden Stellenwert ein. Inzwischen ist der Dienstleistungsgedanke seit 2012 auch im Sozialgesetzbuch (in § 18 b SGB XI) verortet und umfasst Verhaltensgrundsätze für alle am Begutachtungsverfahren Beteiligten, umfassende Informationspflichten, regelmäßige Versichertenbefragungen und den Umgang mit Beschwerden.
Begrüßenswert ist ebenfalls die mit dem MDK-Reformgesetz 2020 vom Gesetzgeber gestärkte Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste. Auswirkungen dieses Gesetzes betreffen u.a. die nunmehr geänderte Zusammensetzung der MD-Verwaltungsräte sowie die Neuerungen zur Rechtsaufsicht (Ministerium) und der – nun bundesweit einheitlichen – Rechtsform der MDen (Körperschaften des Öffentlichen Rechts).
Veränderungen des Tätigkeitsspektrums der Medizinischen Dienste zeigen sich eindrucksvoll auf dem Gebiet der Krankenhaus-Prüfungen. Die sog. DRG-Einzelfallprüfungen, bei denen der MD im Auftrag der Kasse bspw. die Notwendigkeit einer individuellen Behandlung und/oder deren Behandlungsdauer prüft und ein Gutachten mit „Empfehlungscharakter“ erstellt, auf dessen Basis die Kasse eine leistungsrechtliche Entscheidung trifft, haben zahlenmäßig deutlich abgenommen.
Demgegenüber wurde mit Einführung sog. „StrOPS“-Prüfungen ein Paradigmenwechsel in der Weise vollzogen, dass nunmehr Krankenhäuser gemäß § 275 d Abs. 1 Satz 1 SGB V gehalten sind, die Einhaltung von Strukturmerkmalen auf Grund des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels nach § 301 Absatz 2 durch den Medizinischen Dienst begutachten zu lassen, bevor sie entsprechende Leistungen abrechnen. Dies bedeutet für den Medizinischen Dienst, eigenständig eine (aus dem Ergebnis der Begutachtung abzuleitende) Entscheidung zu treffen, einen Bescheid zu erstellen und so zum unmittelbaren Adressaten etwaiger Widersprüche oder Klageverfahren zu werden.
Was begeistert Sie auch heute noch an Ihrer beruflichen Tätigkeit?
Ich habe Freude an der Vielseitigkeit der abwechslungsreichen Herausforderungen und erlebe die besondere Nähe zu den Versicherten als bereichernd. Die Gutachterinnen und Gutachter beim Medizinischen Dienst sind in der Regel die einzigen Akteure, die im Laufe des Verfahrens persönlich mit den Versicherten in Kontakt treten, diese untersuchen und beraten und wichtige Weichen für den weiteren Fortgang stellen. Dabei sind wir fachlich unabhängig und leisten einen aktiven Beitrag für jede einzelne versicherte Person und für die Gemeinschaft der Versicherten (Stichwort: Verteilungsgerechtigkeit).
Was würden Sie jüngeren Kolleginnen und Kollegen raten bzw. was wünschen Sie sich von ihnen hinsichtlich der gemeinsamen Arbeit beim Medizinischen Dienst?
Mein wichtigster Rat lautet, in jeder und jedem uns anvertrauten Versicherten den jeweiligen Menschen zu sehen mit seiner jeweils einzigartigen individuellen Prägung und seinen Bedürfnissen. Dies beinhaltet, seine Perspektive einzunehmen und seine Belange ernst zu nehmen, ihn zu respektieren und wertzuschätzen. Denn es sind nicht bloße Anträge, sondern Schicksale und Menschen, mit denen wir uns tagtäglich befassen. Wollen wir unseren Dienst zum Wohle der Menschen erbringen, dann dürfen wir das Kürzel „MD“ des Medizinischen Dienstes getrost als Synonym für „Menschen dienen“ verstehen.
Weiter wünsche ich mir von jüngeren wie älteren Kolleginnen und Kollegen, dass sie einerseits aufgeschlossen sind für Neuerungen (Stichwort: technische Errungenschaften wie z.B. künstliche Intelligenz), andererseits diese mit einem besonnenen und umsichtigen, bisweilen durchaus kritischen Augenmerk begleiten mit der Erkenntnis, dass Technik den Menschen dienen soll und nicht umgekehrt.
Würden Sie den Medizinischen Dienst Freunden/Freundinnen als Arbeitgeber empfehlen?
Ja! Denn der Medizinische Dienst ist nicht nur ein planbar-verlässlicher und sicherer Arbeitgeber, der durch attraktive familienfreundliche Arbeitsbedingungen (flexibles Arbeiten, Gleitzeit, keine Wochenenddienste, betriebliches Gesundheitsmanagement und betriebliche Altersversorgung) punktet sowie vielfältige Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten mit bereicherndem kollegialen Austausch in einem multiprofessionellen Umfeld und respektvollem Miteinander eröffnet, sondern sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass er für gutachtliche Unabhängigkeit steht und es damit seinen Gutachterinnen und Gutachtern ermöglicht, in gestaltender und sinnhafter Weise soziale und ärztlich-ethische Verantwortung wahrzunehmen, ohne sich medizinfernen Zwängen ausgesetzt zu sehen. Diese Gewissheit, Versicherte unabhängig, neutral und nach gleichen Kriterien beurteilen zu können und damit einen wertvollen Dienst für jede versicherte Person und für die Gesellschaft als Ganzes zu leisten, ist sinnstiftend und vermittelt ein wohltuendes Selbstverständnis.
Herr Dr. Walter, vielen Dank für das Gespräch!